Führen auf Distanz
Ganz egal, ob Sie erst in den letzten Monaten mit der Thematik konfrontiert wurden, oder Ihr zu führendes Team sich so oder so über verschiedene Standorte verstreut; aus der Distanz zu führen bringt immer ein hohes Maß an Herausforderung, Fingerspitzengefühl und Koordinationsgeschick mit sich.
Für die meisten Führungskräfte kam die Umstellung, dass fortan überwiegend im Homeoffice gearbeitet wird, im Jahr 2020 doch recht unvorbereitet. Von einem Tag auf den anderen wurde von Ihnen verlangt, Ihre Führungsqualitäten auszuweiten und zukünftig alle Tätigkeiten vor einem Bildschirm virtuell abzuhalten: Mitarbeiterführung, Konfliktmanagement, strategische Unternehmensführung usw.
Im Kern umfasst die Führung auf Distanz drei große Themengebiete:
Team
Reden, reden, reden
1. Kommunikation fördern
Sorgen Sie für einen regelmäßigen Austausch mittels wöchentlichen Team-Videokonferenzen, um den persönlichen und informellen Kontakt aufrecht zu halten.
Die Themen, welche Sie in dem regelmäßigen Austausch behandeln, können dabei von beruflicher oder zwischenmenschlicher Natur sein. Wie wäre es z. B. wenn Sie Ihre Mitarbeiter einmal im Monat satt zu einer regulären Konferenz, zu einem gemeinsamen virtuellen Frühstück, Mittagessen oder einer virtuellen Kaffee-Runde einladen?
2. Kontinuierlichen Kontakt sicherstellen (1:1)
Im Büro können Sie kurze „Flur-Gespräche“ führen. Das ist online nicht möglich. Zeigen Sie trotz des virtuellen Raumes, dass Sie ehrlich (!) an dem Mitarbeiter interessiert sind. Sie können dies z. B. durch ein kurzes wöchentliches (zwei-, drei-, vier wöchentliches) Jour-Fixe zum Ausdruck bringen.
Fragen Sie nach: Wie geht es Ihrem Mitarbeiter? Welche Änderungswünsche oder Verbesserungsvorschläge hat er? Gibt es eine Prozessoptimierung, die vorgenommen werden sollte? Oder, oder, oder.
Nutzen Sie die kreativen Ressourcen aus der Diversität eines Teams und profitieren Sie daraus für Ihre zukünftige Arbeit. Schaffen Sie dadurch eine Atmosphäre, in der Ihre Mitarbeiter das Gefühl haben gehört und ernst genommen zu werden.
3. Gemeinsam Regeln aufstellen
Das Aufstellen von gemeinsamen Regeln sorgt für Transparenz und schafft Vertrauen und Sicherheit. Inhalt dieser Festlegungen können z. B. Kommunikationsregeln, die Etablierung von Besprechungsroutinen oder vielleicht auch die Festlegung von Kernarbeitszeiten. Spiegeln Sie auch an das Team die Frage, wie das Team eine rege Interaktion aufrechterhalten kann.
Passen Sie diese Regeln regelmäßig bei Bedarf neu an.
4. Konflikte vermeiden
Die emotionale Interaktion auf dem Bildschirm ist schwer nachzuvollziehen und O-Töne, treten nicht mehr oder nur vereinzelt an Sie heran. Jetzt ist es besonders wichtig ein wertschätzendes Miteinander zu kreieren, um Konfliktpotenzial von Anfang an zu minimieren. Leben Sie als Führungskraft eine gute Online-Etikette vor und vereinbaren Sie gemeinsam mit Ihrem Team:
Wie wird sich im Team Rückmeldung gegeben? Wie kann jeder einzelne für ein gutes Team-Klima tun? Und wie wird mit Unstimmigkeiten umgegangen?
Lösen Sie aufkommende Konflikte so persönlich wie möglich und geben Sie Ihren Mitarbeitern den Raum, Emotionen – auch über die Distanz – besprechbar zu machen.
Rahmenbedingungen
Struktur schafft Sicherheit
1. Rahmenbedingungen definieren
Überlegen Sie sich, welche Rahmenbedingungen Sie schaffen wollen, welche neuen ritualisierten Arbeitsvorgänge es zukünftig geben soll, und worauf Sie besonderen Wert in der Zusammenarbeit legen.
Neben den Einzelaufgaben und Verantwortlichkeiten sollten Sie auch klar zuteilen, welche Rolle jeder Mitarbeiter einnimmt. Stecken Sie auch Handlungsspielräume ab, sodass jedem klar ist, was er alleine entscheiden darf und bei welchen Themen mit Ihnen in die Rücksprache gegangen wird.
Vereinbaren Sie z. B. Wochen- oder Monatsziele mit Ihren Mitarbeitern. Sie stärken dadurch die Eigenverantwortung jedes einzelnen und schaffen nebenbei Orientierung, Überblick und Kontrolle – auf beiden Seiten.
2. Erwartungen klären:
Je genauer die einzelnen Teammitglieder wissen, was Sie als Führungskraft von ihnen erwarten, desto einfacher fällt es entsprechend zu agieren und desto besserer und messbarer sind die Ergebnisse. Überlegen Sie für SICH, welche Erwartungen (qualitativ und quantitativ) Sie an den Mitarbeiter haben und kommunizieren Sie diese klar.
3. Meetings mit Struktur:
Nichts ist kräftezehrender, als ein unstrukturiertes und sich in die Länge ziehendes Meeting. Achten Sie auf die Einhaltung eines roten Fadens und bei Diskussionen, welche sich im Kreis drehen, sprechen Sie dieses an und führen diese in eine ergebnisorientierte Richtung.
4. Viel delegieren
Beantworten Sie für sich vorab folgende drei Fragen, bevor Sie eine Aufgabe an Ihren Mitarbeiter delegieren:
Verfügt der Mitarbeiter über die Fähigkeiten und Kompetenzen zur Erledigung der Aufgabe? Verfügt der Mitarbeiter über die benötigten Ressourcen, Zeit und Arbeitsmittel? Und können Sie die Verantwortung für die Aufgabe abgeben und Vertrauen dem Mitarbeiter, dass dieser ein zufriedenstellendes Ergebnis liefert?
Dann sorgen Sie für Klarheit über die Aufgabe, alle Faktoren, welche zur Erledigung wichtig sind und den Handlungsspielraum, welcher Ihr Mitarbeiter einnehmen kann.
5. Für Transparenz sorgen:
Transparenz im Team ist wichtig für eine gute Zusammenarbeit. Es vermeidet eine Doppelung der Arbeit, sorgt für Sichtbarkeit bei Fortschritten und Ergebnissen und schafft daraus eine Identifikation mit der Arbeit und dem Team.
Sie können für Transparenz durch z. B. gemeinsame (online) Notizbücher, regelmäßigen Abstimmungen (z.B. Daily‘s/Weekly‘s) oder visuellen Projektmanagementtools (z. B. Kanban [= stellt Aufgaben dar, welche gefordert oder bereits bearbeitet werden, mittels einer Kategorisierung in: To-do, in Progress und Done])
Eigens Verhalten
Mindset ausrichten
1. (Vorschuss-) Vertrauen geben
Vorher im Büro konnten Sie kontrollieren, was wie wo wann geschieht. Dies hat sich verändert. Eine neue Herausforderung ist eine Vertrauensbereitschaft gegenüber allen Teammitgliedern aufzubauen. Machen Sie sich bewusst, was Sie brauchen, um Ihrem Mitarbeiter zu vertrauen oder andersherum:
Welche Verhaltensweisen lösen Misstrauen bei Ihnen aus? Und wie können Sie auf Ihren Mitarbeiter zugehen, um sein Verhalten positiv zu beeinflussen?
2. Wesentliches kontrollieren
Die Erbringung von Leistungen und Ergebnissen in Ihrem Team müssen Sie auch über die Distanz sicherstellen. Sie befindet sich in der Verantwortung zu kontrollieren, ob und in welcher Qualität die Leistungen Ihrer Mitarbeiter erbracht worden sind. Lernen Sie auf das Wesentliche fokussiert zu bleiben und fördern Sie die Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
3. Fehler tolerieren
Arbeiten Sie aktiv an einer guten Fehlerkultur, in dem Ihre Mitarbeiter sich selbst Fehler eingestehen und daran wachsen können. Nehmen Sie eine Vorbildfunktion ein und sehen Sie den gemeinsamen Blick auf Fehler als Chance, Lücken im System aufzudecken und dadurch eine Verbesserung von Arbeitsabläufen und der Kommunikation untereinander zu erzielen. Vermitteln Sie dem Team, dass mit Fehlern konstruktiv umgegangen wird z. B. durch die Durchsprache mit folgende Fragen:
Warum ist der Fehler entstanden? Welchen Lerneffekt können wir daraus ziehen? Was können wir in Zukunft verändern? Sollte der aktuelle Prozess bearbeitet werden?
4. Führung wahrnehmen
Gute und wirksame Führung kann nicht nebenbei wahrgenommen werden. Sie benötigen ein Bewusstsein zum einen für die Herausforderungen auf Distanz zu Führen und zum anderen Feingefühl gegenüber den Bedürfnissen der Mitarbeiter.
Zeigen Sie Ihrem Mitarbeiter trotz der Ferne Präsenz und seien Sie ansprechbar für berufliche und persönliche Belange. Schaffen Sie eine Balance zwischen Führen und (arbeiten) Lassen und räumen in alle Richtungen Frei- und Handlungsspielräume ein.
5. Sich selbst führen
Reflektieren Sie Ihr Führungsverhalten fortlaufend und nehmen Sie dadurch die Chance wahr, sich fortlaufend weiterzuentwickeln.
Überlegen Sie sich auch, welche Stellschrauben Sie bei sich ziehen, um sich selbst zu motivieren und schauen Sie, wie Sie diese Eigenmotivation ins Team übertragen können.
Und wie geht es weiter?
Erwarten Sie nicht von sich in allen Bereichen sofort perfekt zu sein. Beginnen Sie mit einem Themenblock und schauen Sie, welches Potenzial zur Optimierung er aufweist.
Führung bedeutet in einem immer fortwährenden Lernprozess zu sein.
Bleiben Sie neugierig und aufmerksam.